Quantcast
Channel: Seite 26 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
Viewing all articles
Browse latest Browse all 5277

Falkensee: Fundus mit Geschichte(n) 2018

$
0
0

Was haben der Roman „Magma am Himmel“ von Carlos Rasch, ziemlich schräge Glaslampenschirme, ein Kompaniebericht von 1945, ein bestickter Kaffeewärmer, runde PA-Aufnäher, Garderobennummern, eine Gießkanne aus Plaste und ein auf holländisch verfasstes Tagebuch gemeinsam? Die Klammer, die all diese Gegenstände verbindet, heißt „Falkensee“.

Beim alljährlichen Event „Fundus mit Geschichte(n)“ stellten Gabriele Helbig und Bert Krüger am 16. Februar in den Räumen des „Museum und Galerie Falkensee“ (www.museum-galerie-falkensee.de) wieder spannende Geschichten hinter aktuellen Neuzugängen vor.

Wie auch in den Jahren zuvor fand die Veranstaltung großen Anklang – und jeder Platz vor Ort war von neugierigen Falkenseern besetzt. 15 neue Objekte hatten die Hüter des Museums ausgewählt und wie immer auf einem Tisch ausgebreitet, sodass die Besucher sich vor dem Vortrag schon einmal einen Eindruck verschaffen konnten.

Die Glaslampenschirme, die wie UFOs aussehen, stammen übrigens aus der alten Falkenseer Stadthalle. Bert Krüger: „Frau Helbig hatte selbst noch Sport in der Halle. Aus den Siebzigern stammt eine ganz spezielle Deckenlampenkonstruktion, die aus elf Glaslampenschirmen bestand. Die haben wir nun abgebaut und somit für die Nachwelt erhalten. Dies gilt auch für ein Bund mit 500 Garderobenmarken und eine Sitzbank von der Tribüne. So haben wir noch ein paar Erinnerungsstücke retten können, bevor der Investor das Gebäude abreißt.“

Gabriele Helbig: „Das nächste Gebäude, in dem wir uns nun auf die Suche nach Gegenständen aus der Vergangenheit von Falkensee begeben, ist übrigens der ehemalige Bayerische Hof. Dabei müssen wir einmal hervorheben, dass wir bislang bei all diesen Vorhaben große Unterstützung erfahren haben – von den Investoren, aber auch von den Bauarbeitern vor Ort. Wir haben ja nicht immer das passende Werkzeug dabei, etwa, um mal eben eine Sitzbank in der Stadthalle abzumontieren.“

Eine spannende Geschichte erzählt auch das bunte Büchlein „Magma am Himmel“ von Carlos Rasch. Es ist ein Science-Fiction-Roman. Und er stammt von Carlos Rasch, der ab 1963 lange in Falkensee lebte, in der DDR als Pionier der SF-Literatur galt, acht Romane geschrieben hat und eine Gesamtauflage von 1,5 Millionen Büchern erreichte. Carlos Rasch lebt heute übrigens in Brieselang. In dem Buch, das nun zum Museumsfundus zählt, findet sich auch eine persönliche Widmung des Autoren an eine Falkenseer Leserin: „Der Verstand überwindet Schwierigkeiten, die Phantasie bewältigt ganze Welten.“

Im vergangenen April klopften mitten am Wochenende drei Brüder aus Holland an die Tür des Museums. Zum Glück hatte Gabriele Helbig Wochenenddienst – und konnte sich die Geschichte der Brüder anhören. Sie waren mit dem Fahrrad unterwegs, um die tragische Geschichte ihres Vaters Station für Station nachzuvollziehen. Der war im Zweiten Weltkrieg 1943 von den Deutschen als Zwangsarbeiter nach Falkensee verschleppt worden und musste hier für die Rüstungsindustrie arbeiten. Im Arbeitslager Alkett schrieb er ein Tagebuch. Das haben die Söhne zu einem Buch verarbeitet, das auf Holländisch den Titel trägt: „Het is hier meer dan treurig“, was übersetzt so viel heißt wie „Hier ist es mehr als traurig“. Das Buch gehört nun dem Museum.

Bert Krüger: „Es ist etwas ganz Besonderes, dass wir nun auch einen Augenzeugenbericht von jemanden haben, der als Kriegsgefangener in einem Falkenseer Lager eingesessen ist und hier zur Arbeit gezwungen wurde.“

Vom 21. März 1943 stammt ein vierseitiger Kompaniebericht vom Volksturmführer Wendrich aus Falkensee, der bei Renovierungsarbeiten zwischen den Dachsparren im Haus Buchenstraße Nr. 2 gefunden wurde. Wendrich war mit seiner 164 Mann starken 4. Volkssturmkompanie (rekrutiert u.a. aus dem Osthavelland und Nauen) östlich der Oder stationiert. Hier heißt es: „Am 4.2.1945 war der Russe heran. In den Tagen vorher passierten unabsehbare Treks die vor uns liegende Chaussee und die Männer mussten viel Jammer und Elend ansehen. Nachmittags gegen 17 Uhr erhielt die Komp. die Feuertaufe. Der Russe kam von Güntersberg her mit Infanterie und Granatwerfern gegen den Abschnitt der Komp. heran. Alle Männer waren auf ihrem Posten. Der erste Zug hatte die Ehre, den Russen abzuschmieren, und tat dies gründlich. Eine Granatwerferbedienung mit ihrem Gerät wurde vom MG-Giese umgelegt. Rechts bei Lehmannshof konnte ein zweites MG ebenfalls die Iwans von der Chaussee fassen. Jeder Mann schoß was raus wollte und der Russe mußte zurück.“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam Professor Fritz Diederich nach Falkensee, wo er im Januar 51 auch starb. Der Bildhauer, von dem viele Skulpturen noch immer im Berliner Raum zu sehen sind, war nach Falkensee gekommen, weil die Bomben seine Wohnung und das Atelier in Berlin zerstört hatten. Ein neu in den Museumsfundus aufgenommenes Dokument zeigt, mit welchen Problemen sich der Künstler nach dem Krieg auseinandersetzen musste.

Da heißt es: „Ich, der Professor Fritz Diederich aus Falkensee-Finkenkrug, … , versichere hiermit, nachdem ich über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung belehrt worden bin, folgendes an Eidesstatt: Ich bin niemals Mitglied der NSDAP – oder einer ihrer Gliederungen gewesen. Ich benötige diese Erklärung zur Vorlage beim Sozialamt, um meine Pensionsansprüche geltend zu machen.“

Echte DDR-Geschichte schreiben auch die Entwurfsbücher von Madeleine Schulz, die nun dem Museum übereignet wurden. Sie enthalten gezeichnete Entwürfe für Schmuckstücke, denn Madeleine Schulz hat damals für den VEB Gablona Falkensee gearbeitet – und für die „Erzeugnisgruppe Modeschmuck“ an entsprechenden Schmuckstücken gearbeitet. Gabriele Helbig: „Die wenigsten Falkenseer kannten die vor Ort gefertigten Schmuckstücke, denn sie waren vor allem für den Export in das ‚nicht-sozialistische Wirtschaftsgebiet‘ gedacht, wurden also in die Bundesrepublik verkauft. Hier tauchten sie dann in den Katalogen von OTTO & Co auf.“

Dies waren nur einige der spannenden Geschichten zu den Museumsneuzugängen aus dem Jahr 2017. In weiteren Geschichten ging es um Produktpiraterie bei Plastegießkannen, um kuriose Blumenvasen, um uralte Bibeln und um Fotos von der Jugendbrigade vom Landmaschinenbau Falkensee. (Text/Fotos: CS)

Der Beitrag Falkensee: Fundus mit Geschichte(n) 2018 erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 5277