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Channel: Seite 26 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Roter Adler in Falkensee: Organisierte Ahnenforschung in der Mark Brandenburg!

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Die meisten Familien können die eigene Geschichte vielleicht noch bis zu den Urgroßeltern nachvollziehen. In der Regel gibt es über die Zeit davor nur sehr nebulöse Erkenntnisse. Gerd-Christian Treutler aus Falkensee hingegen will es ganz genau wissen. Er ist der erste Vorsitzende in der „Brandenburgischen Genealogischen Gesellschaft Roter Adler“. Die BGG stellt Menschen Datenbanken für ihre Ahnenforschung zur Verfügung, spürt aber auch rein wissenschaftlich dem Familienleben in der Vergangenheit nach.

Die „Brandenburgische Genealogische Gesellschaft Roter Adler“ (BGG) ist ein Verein mit 238 Mitgliedern (Stand April 22) nicht nur in Falkensee, sondern in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Der Verein besucht große Archive wie etwa das Potsdamer Landeshauptarchiv oder das Preußische Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, wandert über Friedhöfe, um sich alte Grabsteine anzusehen, und wertet viele weitere Quellen aus.

Gerd-Christian Treutler (57) ist bereits von seiner Ausbildung her prädestiniert für die Quellensuche. Der Diplom-Kriminalist und promovierte Historiker wertet alte Kirchenbücher aus, hat gerade ein Verzeichnis der Mühlenbetreiber von Anno Dazumal digitalisiert, scannt Daten von alten Berliner Adressbüchern aus dem 18. Jahrhundert ein und liest in Bürgerbüchern: „Es ist sehr faszinierend, sich mit der Geschichte der alten Mark Brandenburg zu beschäftigen, zu der das noch historisch junge Berlin von der Fläche her auch dazugehört. Allein die Bürgerbücher sind eine wichtige Quelle, die uns mehr über die Zeit von früher verraten. Damals durfte nur Bürger werden, wer in eine Stadt zog. Hier musste man den Bürgereid schwören und durfte sich erst nach diesem Eid ins Bürgerbuch eintragen lassen.“

Der 2006 gegründete Landesverein für Familien- und Regionalgeschichte stellt die selbst erarbeiteten Datenbanken online zur Verfügung. Über eine Metasuche kann ein beliebiger Name über alle Datenbanken hinweg recherchiert werden. So hilft die BGG Hobby-Genealogen dabei, mehr über ihren eigenen Stammbaum herauszufinden.

Gerd-Christian Treutler, der übrigens auch zu den Mitbegründern des Falkenseer Heimatjahrbuchs gehört, findet die Ahnenforschung überaus spannend: „Ich komme leider viel zu selten dazu, Ahnenforschung in eigener Sache zu betreiben. Bei meiner Familie bin ich aber inzwischen am Ende des 16. Jahrhunderts angekommen. Gerade beim sorbischen Zweig meiner Familie ist das Spurenlesen einfacher, da gibt es mehr Aufzeichnungen. Wenn die damaligen Kirchenbücher erhalten sind, kommt man eigentlich sehr weit.“

Auf der Online-Plattform des Vereins sind die Ahnenforscher im Umgang mit den vielen Dutzend bereitgestellten Datenbanken auf sich selbst gestellt. Der Verein gibt „Hilfe zur Selbsthilfe“, führt für die Besucher der Website aber keine genealogische Recherche durch. Gerd-Christian Treutler: „Dafür gibt es Profis. Bestimmte Datenbanken auf unserer Seite sind auch nicht für jedermann zugänglich. An manchen Stellen bitten wir vorher um eine E-Mail, um einen persönlichen Kontakt herzustellen.“

An der Ahnenforschung haben übrigens nicht nur die Brandenburger selbst ein Interesse. Gerd-Christian Treutler: „Die Mark Brandenburg war früher ein Einwanderungsland. Menschen aus vielen Ländern Europas haben sich hier niedergelassen. Deswegen bekommen wir auch Anfragen aus anderen Ländern.“

Das Leben in vergangenen Zeiten: Von Häuslern, Büdnern und Kossäten

Die Mitglieder im Verein sehen sich auch als Forscher, die auf ehrenamtliche Weise dazu beitragen, die Landesidentität zu bewahren und zu verhindern, dass die eigene Landesgeschichte in Vergessenheit gerät.

Der in Falkensee aufgewachsene Gerd-Christian Treutler sagt: „Normalerweise beschäftigen sich Historiker vor allem mit bestimmten Ereignissen in der Vergangenheit. Wenn sie sich für Menschen interessieren, die damals gelebt haben, dann handelt es sich dabei meist um Könige oder hochgestellte Persönlichkeiten. Wir haben bei uns in der BGG einen ganz anderen Ansatz. Wir forschen personenbezogen und setzen auf eine Familiengeschichtsforschung. Uns ist es egal, ob wir Informationen über einen Tagelöhner oder einen König erhalten. Wir sind der Meinung: Auch der einfache Mann kann uns etwas über sein Leben erzählen, jedes Individuum ist ein Träger von Geschichte.“

Der Verein rekonstruiert gern Lebenskonstellationen aus der Vergangenheit, um auf diese Weise wichtige Fragen zu beantworten: Warum war die Kindersterblichkeit in der Mark Brandenburg damals so hoch? Wie lief der Militärdienst ab? Was kann man zum Thema Ernährung herausfinden? Was waren die „unsteten“ und die „unehrlichen“ Berufe? Was hat es mit den „geschlossenen Hochzeitskreisen“ von damals auf sich?

Gerd-Christian Treutler: „Dieses historische Feld ist überaus spannend. Da geht es auch um die sogenannten unterbäuerlichen Schichten. Das waren Kleinbauern, deren Land so klein war, dass sie nicht ausschließlich von der Bewirtschaftung leben konnten. Wir reden da von Häuslern, Büdnern und Kossäten. Aber wie unterschieden sich diese Schichten voneinander?“

Die Erforschung der alten Quellen ist leider nicht immer leicht. Gerd-Christian Treutler: „Oft ist es so, dass bei alten Akten nur der Titel recherchierbar ist, aber niemand weiß, welche Dokumente eigentlich in der Akte schlummern. Viele Kirchenbücher sind zwar digitalisiert, verfügen aber über kein Register. Da muss man dann trotzdem alle Seiten einzeln sichten, wenn man etwas sucht.“

Das bedeutet natürlich auch, dass in den Archiven noch viele spannende Schätze liegen, die gehoben werden könnten, wenn sich nur jemand die Zeit nimmt, sich um diese Arbeit zu kümmern. Gerd-Christian Treutler: „Leider ist es so, dass man inzwischen Gebühren bezahlen muss, wenn man Einsicht in die alten Kirchenarchive nehmen möchte. Da eine Recherche vor Ort viele Stunden dauern kann, kommen da leider schnell erhebliche Summen zusammen.“

Brandenburgische Genealogische Nachrichten, alte Sagengeschichten und historisch korrekte Romane

Was der Verein sich erarbeitet, erscheint alle drei Monate in den „Brandenburgischen Genealogischen Nachrichten“, die bereits im 17. Jahrgang in gedruckter Form veröffentlicht werden. Ein dickes Jahrbuch gibt es auch. Es bietet ein „breites Spektrum aus kurzen Forschungsberichten, wissenswerten Informationen, kleinen Quelleneditionen, familienkundlichen Erzählungen, Lebenserinnerungen und auch Kuriosa.“

Gerd-Christian Treutler: „Für unser Jahrbuch haben wir eigens einen wissenschaftlichen Beirat ins Leben gerufen. Wir arbeiten sehr gern mit Wissenschaftlern zusammen, ich bin ja selbst promoviert.“

Im eigenen Verlag erscheinen gleich vier Buchreihen, die sich alle mit der Vergangenheit der Mark Brandenburg beschäftigen. Neben den reinen Fachbüchern gibt es auch Buchausgaben mit den regionalen Sagen oder mit belletristischen Inhalten. Gerd-Christian Treutler: „Bei unseren Erzählungen ist uns ganz wichtig, dass alle Personen in den Büchern tatsächlich gelebt haben und sich immer im korrekten historischen Kontext bewegen.“

Warum ist die „Brandenburgische Genealogische Gesellschaft Roter Adler“ eigentlich ausgerechnet in dem Ort, von dem aus sie operiert, so wenig bekannt?

Gerd-Christian Treutler: „Schauen Sie sich doch einmal an, wie Falkensee inzwischen aufgebaut ist. Von den Alteingesessenen sind nur noch etwa 15.000 Menschen übrig, etwa 30.000 sind Zugezogene, die zu unserer Region oft noch kein richtiges Verhältnis haben, schon gar kein historisches. Aber wir sind ja auch nicht an Falkensee gebunden, wir operieren ja auf dem gesamten Gebiet der alten Mark Brandenburg. Kurios ist allerdings, dass ich mitunter gefragt werde, warum wir uns ‚Roter Adler‘ nennen. Da muss ich darauf hinweisen, dass der rote Adler das Wappentier von Brandenburg ist.“ (Text/Foto: CS)

Info: Brandenburgische Genealogische Gesellschaft (BGG) Roter Adler e.V., Ruppiner Straße 61, 14612 Falkensee, Tel.: 03322-296649, www.bggroteradler.de

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 201 (12/2022).

Der Beitrag Roter Adler in Falkensee: Organisierte Ahnenforschung in der Mark Brandenburg! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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