Am 21. August tritt Paul van Dyk in der Freilichtbühne Nauen auf – zusammen mit Chris Bekker, Microdizko und Kollektiv Klanggut. Paul van Dyk zählt zu den bekanntesten DJs der Welt, er hat acht Studioalben veröffentlicht und mit „For An Angel“ einen echten Welthit produziert. Seine Musik wird dem Trance zugeschrieben, er meint aber von sich selbst, „elektronische Tanzmusik“ zu machen. Die größte Überraschung: Paul van Dyk wohnt inzwischen im schönen Havelland. Da hat er es bis Nauen ja nicht weit.
Über lange Monate hinweg musste auch ein weltweit gebuchter Star-DJ wie Paul van Dyk das Reisen einstellen und auf Live-Auftritte verzichten: Corona hat insbesondere das tanzende Volk dazu verpflichtet, für eine sehr lange Zeit die Füße still zu halten.
Jetzt geht es langsam wieder los – die ersten Feiern, Konzerte und Festivitäten stehen an. Paul van Dyk, 1971 als Matthias Paul geboren und einer der ersten Stars in der damaligen in Berlin aufkommenden Techno-Szene rund um die beiden Clubs „Turbine“ und „Tresor“, kann nun endlich wieder live vor seinem Publikum auftreten. Am 21. August findet das „Dreams Open Air“ in der Freilichtbühne Nauen statt. Karten gibt es im Online-Shop https://shop.paulvandyk.com. Carsten Scheibe traf sich vorab mit Paul van Dyk zum Interview. Natürlich passend zum anstehenden Event in der Nauener Freilichtbühne.
Das war eine große Überraschung: Sie leben hier bei uns im Havelland?
Paul van Dyk: „Ja. Wenn man so will, bin ich ja Ur-Brandenburger, ich wurde in Eisenhüttenstadt geboren. Ich bin in Ost-Berlin groß geworden und habe auch einen großen Teil meines Lebens in Berlin verbracht. Wir sind jetzt aus Berlin heraus an die Stadtgrenze gezogen. Wir wohnen auch nicht ganz so weit weg von Berlin. Es ist auch nicht das äußerste Ende vom Havelland, wo wir wohnen. Anders gesagt: Wenn ich mit meinem Hund vor die Tür gehe, sind wir quasi schon wieder in Berlin. Es hat aber alles eine andere Dynamik, wenn man am Rand lebt und eben nicht mitten in Berlin. Manchmal ist es ja auch gut, sich die Suppe einmal von außen anzuschauen.“
Sie machen Musik aus dem Trance-Bereich, sagen aber selbst, „elektronische Tanzmusik“ wäre Ihnen als Begriff deutlich lieber.
Paul van Dyk: „Wenn man sich das einmal anschaut, was ich über die Jahre hinweg produziert habe, dann ist das halt nicht so kleinteilig, meine Musik umfasst ganz viele weitere Bereiche. Insofern ist das vor allem elektronische Musik und die ist in den meisten Fällen eben auch tanzbar. Es gibt ja auch Leute, die würden sagen, Trance ist nicht so meins. Genau die gleichen Menschen würden aber vielleicht meine Musik mögen, wenn sie sie unvoreingenommen hören könnten. Natürlich hat meine Musik auch ganz viele Trance-übliche Elemente, das ist eben einfach so, weil ich musikalisch in dieser Szene groß geworden bin, und weil ich sie auch gezielt in meine Musik einbinde.“
Ich kann es mir sehr gut vorstellen, wie Sie am Computer musizieren, Samples anordnen und virtuelle Instrumente spielen. Beherrschen Sie aber auch ganz normale Instrumente?
Paul van Dyk: „Ich kann natürlich über meine Keyboard-Tastatur alles ansteuern, was möglich ist. Ich kann aber auch bis zu einem gewissen Grad Klavier spielen. Ich habe als Kind unbedingt einmal Gitarre spielen lernen wollen. Ich war ein Riesenfan der Band ‚The Smith‘ und wollte immer so Gitarre spielen können wie Johnny Marr. Das habe ich dann auch gemacht. Allerdings musste ich in der DDR immer wieder FDJ-Kinderlieder auf der Gitarre spielen, und deswegen bin ich beim Gitarrespielen nie wirklich gut geworden.“
Sie haben ja bereits mehrere Alben aufgelegt und mit „For An Angel“ einen Weltsong produziert. Jetzt hört man immer wieder, dass man inzwischen von den Tantiemen schlecht leben kann, weil die Musik-Streaming-Dienste kaum etwas bezahlen.
Paul van Dyk: „Natürlich hat sich das gesamte Geschäftsmodell verändert. Früher war es doch so: Man hat Musik gemacht und ging anschließend auf Tour, um auf diese Musik aufmerksam zu machen. Mittlerweile hat sich das umgekehrt: Die Musik ist inzwischen ein Element des Marketings, um auf die Tour aufmerksam zu machen. Und ja, von den Tantiemen kann man nicht leben. Es sei denn, man macht Popmusik, die dann Abermillionen von Streams erzeugt. Selbst ‚For An Angel‘ ist im Verhältnis zu den großen Pop-Songs dieser Welt noch immer ein echtes Nischenprodukt. Meine Musik ist ja auch bewusst nicht darauf angelegt, den ganzen Tag im Radio zu laufen. Glücklicherweise hat das ja vor den Pandemie-Zeiten ganz gut mit dem Touring funktioniert. Jetzt müssen wir die Maschine aber auch wieder zum Laufen bringen.“
Sie haben es gerade angesprochen: Während Corona waren keine Reisen möglich und auch keine Konzerte oder DJ-Auftritte. Sind die virtuellen „Sunday Sessions“ auf YouTube – 51 Stück sind bereits online gegangen – so etwas wie eine Kompensation dafür?
Paul van Dyk: „Es ist keine Kompensation. Wir verdienen ja mit den ‚Sunday Sessions‘ kein Geld. Wenn überhaupt, dann kosten mich diese Live-Streaming-Abende etwas. Wir haben ganz am Anfang von Corona, also vor vielen, vielen Wochen, einen ersten Stream gemacht. Und da habe ich festgestellt, dass es gar nicht einmal so sehr darum geht, dass ich da stehe und Musik mache, sondern dass die Leute untereinander kommunizieren können. Da haben sich Leute aus dem Havelland mit Leuten aus London, aus New York und aus Rom im Chat unterhalten und gefragt: Hey, wie ist das bei euch, wie ist die Situation? Diese Kommunikation hat den Leuten auch das Gefühl gegeben, nicht so allein zu sein. Das hat sich immer mehr verstärkt. Das ist auch der Grund, warum wir diese ‚Sunday Sessions‘ nach wie vor fortführen. Mittlerweile haben wir sogar noch neue Technologie hinzugefügt, sodass sich die Leute untereinander auch sehen können. Wir können alle miteinander interagieren. Das ist ein schönes Happening am Sonntagabend.“
Vom Berliner „Tresor“ über die Love Parade bis zum international auflegenden DJ: Wie hat sich die Szene in den letzten Jahrzehnten um Sie herum verändert?
Paul van Dyk: „Die Antwort darauf ist sehr komplex. Auf den Punkt gebracht ist es so: Früher war der DJ der Freak in der Ecke, während alle anderen ihren Spaß hatten. Inzwischen steht der DJ auf unterschiedlich großen Bühnen im Mittelpunkt und hat die Möglichkeit, seine Musik zu präsentieren.“
Wenn Sie in der ganzen Weltgeschichte herumfliegen, vor Ort oft bis spät in die Nacht arbeiten, zuhause lange im Studio aktiv sind: Was macht das mit dem eigenen Tag-/Nacht-Rhythmus?
Paul Van Dyk: „Ich versuche schon, mich an den gewohnten Tagesablauf zu halten. Ich bin tatsächlich kein Morgenmensch, der früh morgens total beglückt aufsteht, aber ich liebe die ‚blaue Stunde‘. Ich liebe es, wenn es langsam hell wird und die Sonne noch nicht ganz aufgegangen ist, also bevor es richtig losgeht mit dem Tag. Das ist sehr inspirierend und total toll.“
Ich war überrascht: Sie haben den Klingelton für die BER-Durchsagen am Berliner Flughafen komponiert?
Paul Van Dyk: „Ein Klingelton ist es ja nicht, der korrekte Begriff ist ‚Announcement chime‘. Das ist quasi die immergleiche Tonfolge, die man hört, bevor die Ansage kommt. Das ist aber auch schon zehn, elf Jahre her, dass wir den gemacht haben.“
Wenn Sie privat unterwegs sind: Erkennt man Sie und wenn ja, wie geht man mit Ihnen um?
Paul van Dyk: „Also meistens sind die Leute sehr freundlich, wenn sie mich erkennen. Insofern beschwere ich mich nicht. Ich denke mal, dass ich es wie jeder andere auch, der Social Media Accounts hat, immer wieder mit den entsprechenden Hass-Blasen zu tun bekomme. Aber auch das hält sich glücklicherweise im Rahmen.“
Jetzt sind wir heute in Nauen und stehen vor der Nauener Freilichtbühne. Hier wird im August ein Konzert mit Ihnen stattfinden. Warum hier?
Paul van Dyk: „Weil das eine wunderschöne Location ist. Da wir immer noch diverse Corona-Regeln haben, an die wir uns halten müssen, ist ein Konzert draußen auf jeden Fall besser als drinnen.“
Wie halten Sie sich sportlich fit?
Paul van Dyk: „Also wir haben einen relativ wilden Hund, der hält mich fit. Also so ein bisschen jedenfalls. Jeder, der mich schon einmal bei einem Auftritt gesehen hat, weiß: Ich springe da schon sehr viel herum, ich bin bei einem Auftritt durchaus aktiv. Ansonsten bin ich… ich sags mal so: Wenn es darum geht, mir die Schuhe anzuziehen, um joggen zu gehen, dann ist meistens der innere Schweinehund größer. Der überzeugt mich davon, dass ich gerade in diesem Moment irgendwas anderes, wichtigeres zu tun habe.“
Noch mal eine Love Parade – wäre es das? Oder ist diese Zeit vorbei?
Paul van Dyk: „Ich war nie jemand, der sich mit dem aktuellen Zeitgeist beschäftigt hat. Deswegen kann ich nicht sagen, ob das die richtige Zeit ist oder ob diese Zeit vorbei ist. Ich denke aber, dass aufgrund der doch relativ erfolgreichen Festivals eine Love Parade nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal hat, wie das eben früher einmal der Fall war. Selbst wenn es die Love Parade wieder gibt, würde sie sicherlich in einem kleineren Rahmen stattfinden, als es damals der Fall war.“
Wenn Sie privat Musik hören, was kommt da auf den Plattenteller? Blues, Heavy Metal, Pop oder Klassik?
Paul van Dyk: „Mehr so British Guitar Pop. Mein musikalisches Großwerden hängt an vielen Bands von damals. Für mich waren und sind Depeche Mode eine der großartigsten Bands überhaupt. Auf dem allerersten Album sind zwar so ein, zwei Stücke drauf, die sind aus heutiger Sicht ein wenig grenzwertig, aber ansonsten gibt es da immer einen geilen Ansatz, den sie mit jedem Song verfolgen. Ich kann aus eigener Sicht als Künstler sagen, dass ich auch nicht mit allem hundertprozentig zufrieden bin, was ich da so in die Welt gesetzt habe. Zum Schluss gibt es noch einen Geheimtipp von mir: Fyfe Dangerfield.“
Ich kann mich erinnern, wenn wir damals in den Achzigern als Schüler durch irgendeinen Zufall nach London gekommen sind, da haben wir die Plattenläden gestürmt und haben nach neuen Bands gesucht, die hier in Deutschland noch keiner kannte. Da haben wir etwa Blancmange entdeckt, die sind hier nie richtig groß geworden.
Paul van Dyk: „I love them. Jetzt folgt ein totaler Insider: ‚Lorraine’s My Nurse‘. Was für ein grandioses Stück. Es ist glaube ich auf dem allerersten Album von Blancmange zu finden. Oder ‚Why Don’t They Leave Things Alone‘. Das sind so Sachen, die waren nie ein Hit, das waren einfach nur irgendwelche Tracks auf irgendwelchen Alben, aber die sind einfach Klasse.“
Letzte Frage: Gibt es private Hobbies jetzt einmal abseits von der Musik?
Paul van Dyk: „Ich habe ja das große Glück, dass ich mein Hobby zu meinem Beruf gemacht habe. Ich habe ja schon meinen Hund angesprochen. Der ist sehr wild und er ist doch deutlich mehr als nur ein Hobby.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 184 (7/2021).
Zu diesem Artikel gibt es auch ein YouTube-Video:
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Der Beitrag Paul van Dyk spielt im August in der Nauener Freilichtbühne – exklusives Interview! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).