Sasha Schmoll ist 14 Jahre alt und besucht zurzeit die achte Klasse der Waldorf-Schule in Berlin-Kladow. Für ihre „Achtklassarbeit“, wie sie alle Schüler als Projektarbeit vorlegen sollen, wagt sich die Falkenseerin an ein äußerst brisantes Thema. Es geht um Ausgrenzung und Toleranz. Das Mädchen, das in Rostock geboren wurde, seit ihrem 5. Lebensjahr in Falkensee wohnt und zuletzt zwei Jahre das Pferdeinternat in Wittstock/Dosse besucht hat, sagt: „In den letzten Monaten ist in der Welt so viel passiert, was einen aufrüttelt. …
… Da ging es um den Anschlag in Hanau, um die ‚Black Lives Matter‘ Bewegung in den USA, aber auch um die im Ton sehr grenzwertige Schwimmbad-Diskussion in Falkensee. Ich wollte für meine Arbeit ergründen, welche Erfahrung die Menschen mit den Themen Ausgrenzung und Toleranz bereits gemacht haben. Eigentlich wollte ich mich vor das Brandenburger Tor stellen und spontan Passanten befragen. Das ging aber natürlich wegen Corona nicht. Also habe ich einen Fragebogen entwickelt und ihn online verteilt.“
Der Fragebogen klärt gleich als erstes, ob man wegen der eigenen Religion, der Sexualität, der Hautfarbe, des Geschlechts, einer offensichtlichen Krankheit, der persönlichen Meinung oder der Herkunft schon einmal ausgegrenzt wurde. Gern kann man auch ein Beispiel nennen.
Sasha Schmoll: „Da gibt es etwa die asiatisch aussehende Frau, die gefragt wurde, wo sie herkommt. Sie sagt Stuttgart. Und sie wird dann gleich nochmal gefragt: Und ursprünglich, wo kommen Sie da her? Dabei ist sie in Stuttgart geboren worden. Das ist dann schon befremdlich.“
Aber jeder ist vielleicht selbst schon einmal in so eine „Falle“ gelaufen. Deswegen fragt der Bogen auch, ob man nicht selbst schon einmal andere Menschen ausgegrenzt hat – und warum. Auch der Toleranzbegriff wird abgefragt. Da kann dann schon einmal die Antwort kommen: „Ich bin tolerant gegenüber allen anderen Menschen, solange sie nicht damit beginnen, meine eigene Lebensweise einzuschränken.“
Sasha Schmoll beobachtet Ausgrenzung natürlich auch in ihrem eigenen Umfeld: „Das kann ganz harmlos beginnen. Mädchen in der Schule, die nicht so beliebt sind, dürfen kaum etwas sagen, die lässt man nie ausreden. Das ist natürlich sehr gemein.“
Die Schülerin plant, mit ihrem Fragebogen etwa 200 Teilnehmer zu erreichen. Am Ende wird es eine Präsentation geben, die in der Schule gehalten wird – vielleicht auch mit einem Video, das die Gesichter aller Umfragenteilnehmer zeigt. Denn jeder Teilnehmer wird auch fotografiert.
Ob sich auch die anderen Schüler der 8. Klassen mit einem so gesellschaftlich heiklen Thema beschäftigen? Sasha Schmoll: „Das Thema war jedem Schüler freigestellt. Andere setzen zum Beispiel eine Bauanleitung um, die zeigen wird, wie ein Nachttisch entsteht.“
Der Fragebogen ist eigentlich viel zu schade, um am Ende nur in einer Schulpräsentation ausgewertet zu werden. Denn auf der zweiten Seite folgen detaillierte Fragen, die dem Probanten sehr plötzlich aufzeigen, dass er vielleicht gar nicht so tolerant ist, wie er das glaubt. Mit Ziffern von 0 (kann ich überhaupt nicht tolerieren) bis 10 (kann ich komplett tolerieren) sollen bestimmte Sätze kommentiert werden.
Hier kommen Aussagen wie „In der Straßenbahn knutschen zwei Jungs miteinander“, „In der Familie im Nachbarhaus tragen alle Frauen und Mädchen ein Kopftuch“, „Der Müll wird nicht korrekt getrennt“ oder „Ein Mann erzählt dir, dass Frauen nur zum Putzen und Kinderkriegen gut sind“ zum Tragen. Und schon ist es mit der eigenen Toleranz nicht mehr so weit.
Mutter Anne: „Wir haben in der Familie intensiv über das Thema diskutiert – und dabei viel gelernt. Ich bin sehr stolz, dass Sasha das Thema gewählt hat. Es ist nicht einfach – aber wichtig.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 178 (1/2021).
Der Beitrag Schülerin Sasha Schmoll aus Falkensee fragt nach: Bist du tolerant? erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.