Bei Karls in Elstal ist der Parkplatz leer, die Fahrgeschäfte fahren nicht, die Gastronomie hat zu und Karlchen wandert einsam und allein durch den verlassenen Bauernmarkt. Corona ist auch für Karls eine echte Katastrophe. Der Virus sorgt dafür, dass das rasant wachsende Familienunternehmen von jetzt auf gleich auf Null heruntergefahren wurde.
Carsten Scheibe sprach mit Firmenchef Robert Dahl über die besondere Situation.
Hätten Sie sich je vorstellen können, dass es einmal ein Ereignis gibt, das dafür sorgt, dass alle Karls Einrichtungen geschlossen werden müssen? Gibt es für so etwas einen Plan?
Robert Dahl: „Das hätte ich mir niemals vorstellen können, dass wir Karls einmal über einen längeren Zeitraum hinweg komplett schließen müssen. Das ist für uns völlig unvorstellbar gewesen. Genau aus diesem Grund hatten wir natürlich echt keinen Plan für eine solche Situation.
So drei, vier Tage vor der wirklichen Schließung, da bahnte es sich ja schon an, dass es vielleicht so weit kommen könnte. Da habe ich in meinen schlimmsten Alpträumen darüber nachgedacht, wie es denn wäre, wenn Karls komplett zumachen muss. Als es dann aber am 17. März tatsächlich so weit war, da war es doch irgendwie überraschend. Wir haben zwei Wochen lang Tag und Nacht daran gearbeitet, alles so auf Kurs zu bringen, dass alle Mitarbeiter gut informiert und versorgt sind und auch unsere Standorte gut betreut werden.“
Wie sieht die Situation zurzeit bei Karls in Elstal aus? Was ist mit den vielen Mitarbeitern?
Robert Dahl: „Die vielen Mitarbeiter sind zum überwiegenden Teil alle in Kurzarbeit, das betrifft bei uns im Unternehmen 765 Personen. Für die ersten vier Wochen haben wir das Kurzarbeitergeld auf eigene Faust aufgestockt, also um 20 Prozent erhöht. Wir hoffen jetzt, dass der Staat vielleicht noch ein bisschen was drauflegt. Nach vier Wochen sind wir ja beim Kurzarbeitergeld bei 60 bzw. 67 Prozent – und das ist schon extrem wenig. Da hoffen wir, dass die Corona-Beschränkungen nicht mehr allzu lange dauern oder das Kurzarbeitergeld aufgestockt wird.
Die Situation in Elstal ist so, dass wir zurzeit noch geschlossen haben, also komplett geschlossen. Was uns im Moment so ein ganz klein wenig über Wasser hält, das ist unser Online-Shop. Den gibt es ja schon seit sechs Jahren. Im Moment erfährt er aber einen echten Boom, weil ganz viele Karls-Fans und -Liebhaber nun ihre Produkte online bestellen.
In Rövershagen haben wir darüber hinaus einen kleinen Versuch gestartet und an unserem Erdbeerkörbchen, das es da schon seit zwei Jahren gibt, einen kleinen Drive-In-Bauernhofmarkt eröffnet. Der Drive-In war auch recht erfolgreich. In Rövershagen war aber die Infrastruktur dafür bereits vorhanden. Deswegen konnten wir das bislang leider nur in Rövershagen umsetzen.
Jetzt ist es zum Glück so, dass wir ab Sonnabend, den 25. April, immerhin schon wieder die Bauernmärkte öffnen dürfen – leider bis dato ohne die Spielplätze und die Gastronomie. Es geht also zunächst nur um den reinen Verkauf der Waren, wie es ja ab Mitte der Woche in Brandenburg wieder zulässig ist.“
Karls ist eine gut geölte Maschine, hier ist immer etwas los. Ohne Trubel, Menschen und Heiterkeit kann man sich Karls gar nicht vorstellen. Ich denke, es fallen in diesem Umfeld hohe Fixkosten an, denen nun keine Einnahmen mehr gegenüberstehen. Ist das für Karls bedrohlich? Bekommen Sie Fördergelder?
Robert Dahl: „Bedrohlich ist das schon. Wir konnten uns so eine Situation im Vorfeld überhaupt nicht vorstellen, weil wir uns als Unternehmen schon immer sehr stark gefühlt haben.
Wir nehmen ja sehr viel Geld ein, aber im Umkehrschluss geben wir auch immer extrem viel Geld wieder aus, etwa für unsere laufenden Kosten und für die vielen Investitionen. Gerade bei den Investitionen sind wir ja immer mit einem sehr hohen Tempo unterwegs. Wenn die Ausgaben aber stetig weiter fließen, die Einnahmenseite zugleich aber gekappt wird, dann ist das auch bei uns so, dass die Kapitalreserven relativ schnell ein Ende finden. Aus diesem Grund kann das Ungleichgewicht so auch nicht ewig weitergehen. Wir haben deswegen auch alle Baustellen auf Eis gelegt und mit den Lieferanten und Geschäftspartnern Absprachen getroffen, mit denen beide Seiten zufrieden sind. Da ging es darum, gemeinsam Lösungen zu finden, damit wir zusammen durch diese Krise kommen.
Fördergelder bekommen wir nicht, weil wir mehr als 249 Mitarbeiter haben. Das finden wir auch absolut nicht gerecht. Wir denken, dass in einem größeren Unternehmen die Probleme einfach nur größer sind als bei den kleinen Firmen – ansonsten geht es doch um exakt die gleichen Probleme.
Wir leisten ja auch sehr viel an Beitrag für das Allgemeinwesen – im Sinne von Steuern und von anderen Dingen, die wir so als Unternehmen ermöglichen.
Wir könnten uns, wenn wir nicht liquide wären, von der KfW Gelder leihen, aber die sind sehr teuer, die kosten 2,5 bis 3 Prozent Zinsen im Jahr, sind also viel teurer als jede Bank – und man muss einen Kredit fünf Jahre lang halten. Das finde ich überhaupt nicht okay, was die KfW da macht. Dass sie sich quasi in so einer Situation auch noch bereichert. Da bekommt man ja bei jeder Hausbank, wenn man denn liquide und kreditwürdig ist, einen günstigeren Kredit ab einem Prozent Zinsen. Da haben wir das Glück, dass wir die KfW-Mittel bislang noch nicht in Anspruch nehmen mussten. Wir hoffen natürlich auch, dass wir durch den Wiedereinstieg ins Geschäft auch gar nicht mehr über solche Alternativen nachdenken müssen.“
Viele kleine Firmen vermarkten ihre Lebensmittel und Produkte über Karls. Stehen Sie in Kontakt mit diesen Anbietern? Sind auch dort Existenzen bedroht?
Robert Dahl: „Für die Zulieferer ist der Corona-Shutdown schon ein harter Schlag gewesen. Das gilt vor allem für die kleineren und mittleren Firmen, bei denen Karls mitunter einen Riesenanteil am Jahresumsatz ausmacht. Hier haben wir versucht, Wege zu finden, um diesen Firmen zu helfen. So haben wir etwa weiterhin Ware für unseren Online-Shop abgenommen oder zumindest unsere Rechnungen immer pünktlich bezahlt.
An einen Fall erinnere ich mich ganz deutlich. Da rief der Inhaber einer Schnapsbrennerei aus Sachsen-Anhalt bei mir an und teilte mir am Telefon mit: Mensch Robert, wernn ihr mir die Ware nicht abnehmt, dann muss ich meine Leute entlassen. Wir haben da eine Lösung gefunden. Aber die Situation bleibt für so manche Firma bedrohlich.“
Bei Karls steht jetzt bald die Erdbeerernte an. Haben Sie ausreichend Arbeitskräfte finden können? Stehen bald die ersten Erdbeerhäuschen an den gewohnten Standorten?
Robert Dahl: „Die Erdbeerernte steht uns direkt bevor. Die Erdbeerhäuschen werden jetzt schon verteilt. Das sonnige Wetter sorgt dafür, dass die Ernte in diesem Jahr bestimmt schon am 25. oder 26. April beginnen kann. Die Erntehelfer sind da. Vielleicht werden es in den ersten Wochen weniger sein als sonst üblich, aber da müssen wir erst einmal abwarten, wie sich die Ernte genau entwickelt. Wir haben in diesem Jahr auf jeden Fall eine angespannte Situation, was die Arbeitskräfte anbelangt.“
Wie sieht es mit den geplanten Karls-Erweiterungen und Projekten aus? Müssen Sie Investitionen kürzen?
Robert Dahl: „Es ist ganz bestimmt so, dass wir die eine oder andere Investition zeitlich ein wenig nach hinten schieben müssen, weil wir natürlich alle nicht zaubern können. Wir wollen uns wegen der Corona-Krise auch nicht extrem verschulden. Ein verschuldetes Unternehmen ist auch ein unsicheres Unternehmen. Wir wollen weiter organisch und gesund wachsen und so kann es durchaus sein, dass das eine oder andere Projekt einen späteren Termin bekommt.“
Wie sieht zurzeit Ihr ganz persönlicher Alltag aus?
Robert Dahl: „Ich war schon immer nie ganz faul. Ich habe auch in den Jahren vor Corona sehr viel gearbeitet. Aber die letzten sechs Wochen waren eine Ausnahmesituation. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich einmal sieben Tage in der Woche bis zu 17 Stunden (und manchmal sogar noch länger) am Stück für Karls unterwegs gewesen bin. Das war schon eine echte Notsituation, in der wir uns da befunden haben – und ein Stück weit auch immer noch befinden. In so einer Situation muss man ein Unternehmen wie Karls besonders gut überlegt und präzise führen. Dass besonders viel gearbeitet wurde, das gilt aber nicht nur für mich, sondern für ganz viele im Führungsteam. Es war nötig, um Karls auf Kurs zu halten. Aber ich glaube, wir haben das ganz gut hinbekommen.“
Sie haben ja zum Glück auch noch den Online-Shop. Was wird am häufigsten bestellt?
Robert Dahl: „Am häufigsten wird die Erdbeermarmelade bestellt, das war vorher aber auch schon so. In der Krise haben wir unsere Dinkelkissennäher relativ früh umgestellt, damit sie einen Mundschutz herstellen – das ist ja ein sehr stark nachgefragter Artikel. Unsere Schnapsbrennerei, die ansonsten den Erdbeer-Gin für uns produziert, macht nun übrigens Handdesinfektionsmittel für uns.“
Wie könnten Sie sich eine schrittweise Neuöffnung der Karls-Standorte vorstellen?
Robert Dahl: „Die schrittweise Eröffnung ist ja bereits vorgezeichnet – durch den Wiedereinstieg der Handelsfläche im begrenzten Maße. Wir würden uns wünschen, dass wir in der nächsten Runde, die ja laut Verkündung der Bundeskanzlerin am 4. Mai starten soll, vielleicht auch wieder im beschränkten Maß unsere Spielplätze und die Gastronomie öffnen dürfen.“
Online war jetzt das Angebot zu sehen: Karls Mundmasken mit Erdbeermuster. Sind das einfache Stoffmasken und wichtiger – sind sie lieferbar? Kommt da noch mehr?
Robert Dahl: „Ja, das sind einfache Stoffmasken in verschiedenen Ausführungen. Die sind jetzt endlich sofort lieferbar. Zwischendurch hatten wir leider 14 Tage Lieferzeit. Wir möchten das Thema Stoffmasken natürlich weiterverfolgen und noch viele schöne neue Muster umsetzen. Wir vermuten, dass uns das Thema Corona in diesem Jahr alle noch weiter beschäftigen wird. Auch unseren Mitarbeitern stellen wir natürlich unsere Masken zur Verfügung.“ (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 170 (5/2020).
Der Beitrag Karlchen allein zu Hause: Interview mit Karls-Chef Robert Dahl! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.