Viele Senioren möchten sich nicht mit dem Ruhestand aus dem gesellschaftlichen Leben verabschieden. Sie suchen aktiv den „Unruhestand“ und finden dabei eine neue Aufgabe. So geht es auch Christa Niclasen (67). Sie stammt aus Braunschweig, lebte seit 1970 in Berlin und ist 2006 nach Falkensee gezogen. Im Bayerischen Viertel von Berlin leitete sie 30 Jahre lang – von 1986 bis 2016 – die Löcknitz-Grundschule.
1995 errichteten ihre Schüler auf dem Schulgelände die vielbeachtete „Mauer des Vergessens“ – ein „Denk-mal an jüdische Bürger“. Auf die Backsteine der Mauer schrieben sie die Namen von jüdischen Opfern des Holocaust aus der Nachbarschaft.
Christa Niclasen: „Seit Juli 2016 bin ich nun im Ruhestand. Ich wollte etwas Sinnvolles tun und nicht ‚im Garten warten‘. Es ist für mich ein Glück, dass eine ehemalige Referendarin von mir, die inzwischen eine Grundschule in Falkensee leitet, mich an das Schulamt Neuruppin empfohlen hat. Hier habe ich ab 2017 zunächst kompakte 40-Stunden-Kurse für Quereinsteiger gegeben, die aufgrund des Lehrermangels in die Schulen drängen. Da ging es vor allem um das Schulrecht und darum, wie man am besten den Unterricht plant.“
Inzwischen arbeitet Christa Niclasen für das Ministerium und leitet hier zusammen mit einer Kollegin 500-Stunden-Lehrgänge, bei denen die Quereinsteiger die Basis-Qualifizierung für den Beruf des Lehrers erwerben. Christa Niclasen: „Die Bewerber, die als Quereinsteiger in die Schulen gehen möchten, sollten möglichst ein abgeschlossenes Studium oder einen Master haben. Die Not ist aber sehr groß, zurzeit wird jeder genommen. In den Kursen sind auch Fleischer, Köche und Physiotherapeuten. Hut ab – da sind richtig gute Leute dabei. Warum sich so viele Menschen als Quereinsteiger bewerben? Für viele ist es die Sicherheit, im öffentlichen Dienst angestellt zu sein. Auch das Gehalt wird ab und zu genannt. Allerdings steigen viele auch wieder aus der Schule aus, weil sie sich dem Stress nicht gewachsen fühlen oder weil sie sich den Beruf doch ganz anders vorgestellt haben. Es ist eben doch ein pädagogischer Beruf. In Berlin sehen wir aber schon Brennpunkt-Schulen, an denen über 50 Prozent Quereinsteiger arbeiten. Das ist natürlich eine Katastrophe.“
Brandenburg und Berlin sind in Not: Überall fehlt es zurzeit an Lehrern. Mit den Quereinsteigern werden jetzt die Löcher im Unterrichtsplan „gestopft“. Zugleich gehen viele Lehrer stramm auf den Ruhestand zu, sodass hier eine weitere Versorgungslücke droht. Christa Niclasen: „Zum Glück wurden nun neue Plätze in der klassischen Lehrerausbildung geschaffen. Das ist wichtig, denn wir brauchen gut ausgebildete Lehrer und Erzieher: Die Kinder sind unsere Zukunft und wir sollten ihnen die bestmögliche Erziehung und Bildung angedeihen lassen. Ich habe nur ein wenig Angst. Was ist, wenn die neuen Lehrer ihr Studium abgeschlossen haben, die Schulen aber voll sind mit Quereinsteigern?“
Zurzeit fährt Christa Niclasen alle 14 Tage nach Kyritz an der Knatter, um 25 Seminaristen zu betreuen, die parallel dazu bereits in der Schule arbeiten: „Das ist gut so, dann wissen die, wovon ich rede. Die Kursteilnehmer sind sehr engagiert. Woran es oft noch hapert, das ist das Schrift- und Tafelbild der neuen Lehrer. Auch bei Rechtschreibung und Kommasetzung steht es nicht immer zum Besten. Dafür gibt es dann immer wieder Seminarbeiträge, die sind so gut, das könnte auch ein ausgebildeter Lehrer nicht besser machen.“
Der aktuelle Kurs dauert bis Oktober. Gern übernimmt Christa Niclasen dann einen weiteren: „Ich will den Quereinsteigern neben dem Handwerkszeug etwas mitgeben: die Leidenschaft und die Liebe zum Beruf.“ Nebenbei bleibt ihr noch Zeit zum Reisen: „Wir waren zuletzt in Peru, China und auf Rhodos. Als nächstes steht Namibia auf dem Plan. Japan fehlt auch noch auf meiner Liste.“ (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 156 (3/2019).
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